Den Flow-Zustand hat wahrscheinlich jeder schon einmal irgendwann erlebt. Wenn wir so in einer Tätigkeit aufgehen, dass wir alles um uns herum scheinbar ausblenden, spricht man vom „Flow“. Obwohl die meisten Menschen diesen Zustand beim kreativen Arbeiten erreichen, kann man bei anderen nicht-kreativen Tätigkeiten auch in den Flow kommen. Zudem gibt es gewisse Faktoren, die es begünstigen, in diesen angenehmen – fast berauschenden – Zustand zu kommen.
Was ist Flow eigentlich genau?
Der Begriff „Flow“ geht auf den Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi zurück, der den Ausdruck erschuf und prägte. Csíkszentmihályi untersuchte in den 70ern verschiedene Menschengruppen, um herauszufinden, warum diese einen Tätigkeitsrausch entwickeln. Er kam zu dem Schluss, dass man Flow nur dann erleben kann, wenn eine Aktivität herausfordernd ist, man sie aber trotzdem lösen kann. Ist eine Aufgabe zu einfach, dann wird man sich langweilen und nicht in den Flow kommen. Ebenso wenig kommt man in den Flow, wenn die Aufgabe zu schwierig ist. Denn in diesem Falle würde man irgendwann frustriert aufgeben.
Ist eine Tätigkeit jedoch herausfordernd und lösbar, dann konzentriert man mehr und mehr seine Aufmerksamkeit auf diese eine Tätigkeit. Man verliert irgendwann das Zeitgefühl, weil man so sehr im Hier und Jetzt ist – auf den Augenblick fokussiert. Häufig gehen Menschen sogar so sehr in der Tätigkeit auf, dass sie ihre Umwelt ausblenden. Man sieht dies beispielsweise bei spielenden Kindern, die die Rufe der Mutter nicht mehr wahrnehmen. Ein weiteres ganz wichtiges Merkmal von Flow ist, dass man von seiner intrinsischen Motivation angetrieben wird. Man benötigt keine äußeren Anreize wie etwa Belohnungen. Man tut etwas der Tätigkeit wegen.
Beispiele für Flow-Zustände
Man kann in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern einen Flow-Zustand erleben. Das fängt an beim Extremsport oder Motorradfahren, wo der starke Fokus wichtig ist. Denn: Ist man zu fahrlässig, setzt man womöglich das eigene Leben aufs Spiel. Weitere Beispiele für Situationen, bei denen man in den Flow kommen kann, sind Meditation, Soundwalks, Programmieren oder Sport im Allgemeinen. Csíkszentmihályi beschreibt beispielsweise in seinem Buch einen Jogger, der sich selbst Herausforderungen beim Laufen erstellt, um bei seiner Tätigkeit künstlich gefordert zu werden. Dieser Jogger versucht, bei seiner Laufstrecke rote Ampeln zu vermeiden, indem er seine Strecke anpasst.
Ich persönlich erlebe Flow-Zustände immer wieder, wenn ich kreativ arbeite.
Trotzdem muss man auch erwähnen, dass Flow an sich nicht immer etwas Gutes sein muss. Es fühlt sich zwar berauschend an, kann aber auch in negativen Kontexten entstehen: So hat ein Spielsüchtiger ebenfalls Flow-Erlebnisse. Auch im Krieg und in der Wirtschaft kann der Flow-Zustand missbraucht werden, um Menschen zu instrumentalisieren.
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Kommen wir nun aber zur Ausgangsfrage zurück: Wie kommt man in den Flow-Zustand? Es gibt gewisse Faktoren, die es begünstigen, dass man in diesen Zustand kommt.
Faktor 1: Fokus
Ein wichtiger Faktor für das Erleben von Flow ist Fokus. Man kann sogar sagen, dass sich Flow und Fokus gegenseitig beeinflussen. Wenn wir im Flow sind, werden wir immer fokussierter. Und andererseits können wir durch Fokus eine Situation kreieren, in der wir leicht in den Flow kommen. Oder anders ausgedrückt: Ablenkung ist der natürliche Feind von Flow.
Wenn Du in den Flow kommen möchtest, solltest Du also alle Faktoren minimieren, die dafür sorgen könnten, dass Du Deinen Fokus verlierst. Das fängt schon beim Smartphone an. Wenn ich fokussiert arbeiten möchte, dann schalte ich mein Smartphone immer komplett aus. Anfangs habe ich versucht, das Vibrieren und die Sounds zu ignorieren, wenn eine neue WhatsApp-Nachricht eintraf oder Facebook eine Benachrichtigung schickte. Das Problem war aber, dass es mich trotzdem abgelenkt hat und ich nicht in den Fluss gekommen bin beim Arbeiten. Des Weiteren kann ich Dir für alle möglichen kreativen Tätigkeiten empfehlen, dass Du den Fernseher auslässt. Viele Leute neigen dazu, parallel den Fernseher laufen zu lassen – bei allem, was sie tun.
Faktor 2: Künstliche Herausforderungen
In dem Beispiel mit dem Jogger haben wir gesehen, dass künstliche Herausforderungen dafür sorgen können, dass eine Tätigkeit anspruchsvoller wird und wir dadurch in den Flow kommen. Das klingt zunächst ein bisschen paradox: Wir haben die gesamte Woche im Berufsalltag mit Anforderungen und Vorgaben zu tun und dann sollen wir uns in unserer Freizeit künstlich welche schaffen, damit wir uns nicht langweilen? Ja! Denn der Unterschied liegt darin, dass wir uns diese Herausforderungen selbst setzen. Wir erleben es dann als positiven und nicht als negativen Stress.
Ein Beispiel aus meinem Leben als Kreativer: Wenn ich ein Musikstück ohne Vorgaben produzieren möchte, dann tue ich mich damit schwer, weil mir einfach keine Ideen kommen. Deshalb gebe ich mir meistens drei bis fünf Vorgaben. Zum Beispiel muss das Stück in einer bestimmten Tonart stehen, es soll ein Piano darin vorkommen und ich möchte unbedingt einen neuen Synthesizer darin ausprobieren. Mit diesen Vorgaben komme ich ins Tun, weil die Vision sofort konkreter ist.
Du kannst es mit einem weißen Blatt Papier vergleichen. Wenn ich Dir sage, dass Du irgendetwas auf dieses Blatt malen sollst, wirst Du wahrscheinlich nur langsam ins Tun kommen. (Es sei denn, Du hast bestimmte Motive, die Du immer malst wie beispielsweise Naturlandschaften.) Ich könnte Dir jetzt bestimmte Orte oder Farben vorgeben, die Dir zwar Richtlinien geben und Dich einschränken, aber Deine Kreativität dadurch in Gang bringen.
Faktor 3: Geduld
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt bei Flow ist Geduld. Wenn Du Dich hinsetzt, einer Tätigkeit nachgehst und Dich permanent fragst: „Wann kommt denn jetzt der Flow? Wann ist es endlich soweit?“ Dann wirst Du diesen Zustand nie erreichen. Denn Du bist in diesem Moment nicht gedanklich bei Deiner Tätigkeit. Vor allem gehst Du der Tätigkeit dann nicht deshalb nach, weil sie Dich erfüllt, sondern weil Du auf den Rauschzustand wartest.
Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass man eine gewisse Anlaufzeit benötigt, bis der Flow-Zustand eintritt. Bei kreativen Aktivitäten sind es bei mir in der Regel 40 bis 50 Minuten, bis ich diesen Zustand erreiche, wo ich alles um mich herum vergesse.
Zusammenfassung
Wenn man in einer Tätigkeit so aufgeht, dass man kein Zeitempfinden mehr hat und alles um sich herum vergisst, dann spricht man vom Flow-Zustand. Dieser Begriff geht auf Mihály Csíkszentmihályi zurück, der ihn wissenschaftlich untersuchte. Typisch für derartige Zustände sind Aktivitäten, bei denen wir weder unterfordert noch überfordert sind.
Es gibt Faktoren, die begünstigen können, dass Du in den Flow-Zustand kommst. Dazu zählen Fokus (also das Eliminieren von Ablenkung), das Schaffen künstlicher Herausforderungen und vor allem Geduld. Deshalb sind Auszeiten für die Kreativität auch so wichtig.
Obwohl der Flow-Zustand nicht immer nur positive Aspekte hat, ist es ein erstrebenswerter Zustand bei der Freizeitgestaltung oder im Beruf.
Über den Autor:
Dominik Braun ist Audio-Experte für Coaches und Therapeuten. Als Gründer von Work-Life-Balance-Coach.com hat er es geschafft, seine Leidenschaft für Sound und Musik mit der für Natur, Achtsamkeit und Spiritualität zu vereinen. Darüber hinaus unterstützt er mit verschiedenen Dienstleistungen Selbstverleger bei ihrem Weg zum eigenen Buch.
Webseite: www.dominik-braun.net
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